Hier findet sich eine Auswahl von Liedtexten aus der Gegend von St. Johann in Tirol.

Dieser St. Johanner Jodler stammt laut Überlieferung vom weitum bekannten Gstanzlsänger Saasnschmied Simal.





Ein beliebtes Scherzlied am Ende des 19. Jahrhunderts war der „Sainihånser Klôutznfopper.“ Darin kommt der den St. Johannern nachgesagte Charakterzug des ausgeprägten Selbstbewusstseins und großspurigen Übertreibens so richtig zur Geltung. Auf Grund dieses Charakterzuges wurden die St. Johanner von den Bewohnern der umliegenden Orte auch als „Kréébeidl“ (Krenbeutel, was so viel wie Aufschneider bedeutet) bezeichnet.

Übersetzung und Erklärung:

2. In St. Johann in Tirol ist es lustig, ja lustig, verstehst Du? In so einem lustigen Nest bin ich noch nie gewesen. Ich bin ein fröhlicher Junge, mir geht es immer recht gut. Ich habe unglaublich viel Mut und auch immer genug Geld

2. Jetzt habe ich mir eine Truhe einreden lassen, weil ich mein Geld nicht mehr unterbringen kann. Da die Truhe aber mit meiner Kleidung schon so voll ist, kann ich mein Geld darin nicht mehr unterbringen.

3. Und zu Weihnachten ist es bei mir völlig aus, da bringen mir die Mädchen die Anschnitte ihres Früchtebrotes nach Hause. Sie bitten und betteln, dass ich sie annehme. – Das hat mit dem Brauch zu tun, dass die Mädchen zu Weihnachten ihrem Angebeteten den Anschnitt ihres Früchtebrotes schenkten. Der Beschenkte wusste dadurch, dass ihn das Mädchen auserkoren hatte.

4. Was soll ich da machen, was soll ich da sagen, ich muss sie annehmen, weil sie es nicht mehr wegtragen. So habe ich die besseren Stücke in die Tenne gelegt und die anderen sechs Klafter ums Haus herum geschlichtet. – Ein Klafter entspricht ca. 3,3 Kubikmeter.

5. Am Kirchtag geht es mir mit den Blumensträußen so. Da kommt nicht nur eine oder zwei. Da bringt mir eine jede einen Blumenstrauß daher und ich gebe sie der Sennerin für unsere Kühe. – Das hat mit dem Brauch zu tun, dass sich Verliebte Blumen schenken.

6. Es ist schon das größte Kreuz auf dieser Welt, dass ich so viel Mut habe und auch so viel Geld. Ein Kreuz und ein Leiden muss jeder Mensch haben. Aber der Himmel bleibt offen Leute, das muss ich euch schon sagen.



Gstanzlstrophen


Dè Seinihånsa Manda,
sénd lustigè Leit,
håmb aufn Huat Fedan drauf
sénd untn dreì gscheit.
Übersetzung: Die St. Johanner Männer sind lustige Leute, sie tragen Federn auf dem Hut und darunter sind sie gescheit.

Dè Seinihånsa Weiwa
sénd lustigè Leit,
sè flickn dè Hosn
mit Easchtépfèheit.

Übersetzung: Die St. Johanner Frauen sind lustige Leute, sie flicken die Hosen mit Kartoffelschalen.

Dè Seinihånsa Diandln
dia sénd sovi schéé,
sè låssnd koan Buam
bein Fensta lång stéh.
Übersetzung: Die St. Johanner Mädchen sind sehr schön, sie lassen keinen Jungen lange vor ihrem Fenster warten.

An Kitzbichia Hôun
is a Toifè dafrôun,
wer a Toifèfleisch môg,
der soid kéma dia Tôg.
Übersetzung: Am Kitzbüheler Horn ist ein Teufel erfroren, wer Teufelfleisch mag, kann dieser Tage kommen.

Hôt ôana ôas gsunga,
dés hôt sè nit greìmb,
åft håmbs eam dè Zung
aufn Ôsch auffè gleìmb.
Übersetzung: Einer hat eine Gstanzlstrophe gesungen, die hat sich nicht gereimt, daher hat man ihm die Zunge auf den Hintern geleimt.

Åwa lustig is gween,
an Jôggastôg z‘ Ôim,
is dés gånz des kloa Möichal
a d’Suurgruam eichè gfoihn.
Übersetzung: Lustig war es am Jakobsfest auf der Alm, da ist der kleine Melkerbub in die Jauchengrube gefallen.

D’Sénnin vu da Hôuchhittn,
dè schickt da r’an Gruaß,
du brauchst heìt nit kéma,

wei’s aufwåschn muaß.
Übersetzung: Die Sennerin von der hohen Alm schickt Dir einen Gruß, Du brauchst heute nicht zum Stelldichein zu kommen, weil sie den Hüttenboden waschen muss.

Heìt kémans wieda ôi daher,
dè Reichn und dè Raarn,
Schliidn håmbs bei eàh

und aa dè Kaarn.
Übersetzung: Heute kommen sie wieder alle daher, die Reichen und die Seltenen. Schlitten haben sie mit und auch Karren.
Erklärung: Der Fieberbrunner Heimatdichter Dandler sang diese Strophe über die St. Johanner. Die Schlitten sind Symbol für die wohlhabenden Bauern. Die Karren deuten auf die Volksgruppe der Karner hin. Das waren im Land umherziehenden Familien, die nichts besaßen außer einen Karren.

Lustig is‘ gween
und gsunga håmbs nett.
Bruggnschmied Michei

und Baschtlbäck Wett.
Übersetzung: Lustig war es und sie haben nett gesungen, der Brückenschmied Michael und die Barbara vom Bartlbäck.
Erklärung: Die Brückenschmiede war bei der Kreuzung Kaiserstraße/Schmiedweg. Der Hof Bartlbäck liegt am vorderen Hinterkaiserweg. Der Schmied Michael Eppensteiner und die Bäuerin Barbara Schroll waren Anfang des 20. Jahrhunderts beliebte Volkssänger.

Wo die Daumniidei schewan,
wénn ans viigeht bei énk,
a dè Knéél inn Toifèfleisch

und déssn vui z’wénk.
Übersetzung: Wo die „Daumniedei“ scheppern, wenn man bei euch vorbei geht, in euren Knödeln ist Teufelfleisch und davon noch viel zu wenig.
Erklärung: das sangen die Dienstboten über geizige Bauern, die das Essen sehr knapp hielten. Die aus Kartoffelteig gemachten „Daumniedei“ sind also zu trocken bzw. ohne Butter, und in den Knödeln ist nur ganz wenig minderwertiges Fleisch.

Da Staudinger hôt d’Grind vakafft
und die Kiah a,
iatz kimb da Bischof drù

Halleluja.
Übersetzung: Der Bauer beim Staudinger hat die Grundstücke und die Kühe verkauft, jetzt kommt der Bischof dran – Halleluja.
Erklärung: Die alte Bäuerin beim Hof Staudinger (heute Hotel St. Johanner Hof) stand bei den Zeugen Jehovas im Rang eines Bischofs.

Und du bist da Kråtzabéck,
hôst koan Wôid åwa vui Stéck.
Zôihst koanè Steian, kôan Zins,
passatst guat auffa zu ins.
Übersetzung: und du bist der Kratzerbäck, hast keinen Wald aber viele Baumstümpfe. Zahlst keine Steuern und auch keinen Zins, würdest gut zu uns herauf passen.
Erklärung: In Kitzbühel sang einer diese Strophe über den Bauern beim Kratzerbäck. In Kratzerbäck-Haus befindet sich heute die Sparkasse St. Johann.

Z‘ Rueppn is s‘ Zuchthaus,
z’Foidler s‘ Spitôi
und z‘ Låckn, jå dô

sénd d‘ Betschwéstern ôi.
Übersetzung: Im Hof Rueppen ist das Zuchthaus, im Hof Foidlern das Spital und im Hof Lacken sind die Betschwestern zu Hause.
Erklärung: Diese Strophe über die Einwohner des Weilers Apfeldorf wurde um 1900 gesungen und spielte wohl auf aktuelle Ereignisse an.

Diandl sei gscheit,
liab an Buam, dea di gfreit,
liab oan mit an Göid,
hôst a Freid auf da Wöit.
Übersetzung: Mädchen sei vernünftig, liebe einen Jungen, der Dir Spaß macht, liebe einen mit Geld, dann hast Du Freude auf der Welt.

Bein Kruma is heìt
Profit iwa bliem,
bein Noiwiascht hôt er’s gsuffn

und beim Dårfwiascht hôt as gspiem.
Übersetzung: Der Krämer hat heute Profit gemacht, beim Neuwirt hat er es versoffen und beim Dorfwirt hat er sich dann übergeben.
Erklärung: Diese Strophe sang der Saàsnschmied Simal um 1900 über den Oberndorfer Krämer.



Z’Going a da Prama,
an Rettnbôch und z’Litzlföin
gehnd d‘ Weiwaleit beedln

und d’Manaleit stöihn.
Übersetzung: In Going in Prama, in Rettenbach und in Litzelfelden gehen die Frauen Betteln und die Männer stehlen.
Erklärung: Diese Strophe stammt aus der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als das Kupferbergwerk am Rerobichl bei Oberndorf geschlossen wurde. Die dadurch verarmten Knappenfamilien wohnten in Going im Ortsteil Prama, im St. Johanner Weiler Rettenbach und im Kirchdorfer Weiler Litzelfelden, wo die Verhüttung des Erzes erfolgte.

A Sôiz, a Messa
und an Strick an långa,
dés brauchnd d‘ Goinger

zun Schafè fånga.
Übersetzung: Salz, ein Messer und einen langen Strick brauchen die Goinger zum Einfangen der Schafe.
Erklärung: Durch die Schließung des Kupferbergwerks am Rerobichl Ende des 18. Jahrhunderts verarmten die Knappenfamilien, von denen sehr viele in Going wohnten. Manchmal mussten diese auf illegalem Weg Nahrung beschaffen.

Heit fôhr ma a d’Öima,
wôs ma z’wénk håmb, dés stöihma,
åwa z’Going stöihma nix,
dia stöihnd söiwa wia d’Fichs.
Überstzung: Heute fahren wir nach Ellmau, was wir zu wenig haben stehlen wir, aber in Going stehlen wir nichts, die stehlen selber wie die Füchse.
Erklärung: Einige St. Johanner Burschen sangen diese Strophe in den 1920er Jahren beim Stanglwirt in Going und wurden danach entsprechend verprügelt. Aus den weiter oben genannten Gründen gab es in Going viele verarmte Bergknappenfamilien, die manchmal stehlen mussten, um zu überleben. So entstand das Klischee in den Nachbarorten, alle Goinger würden stehlen.

Da Goinger Vikari,
jå wénn er’s nit loigg,
hôt 800 Beichtleit

und 900 Doibb.
Übersetzung: Der Vikar von Going, wenn er nicht lügt, hat 800 Beichtgänger und 900 Diebe.
Erklärung: Siehe oben.

Z‘Going a da Prama
håmbs an Hôôgmôar an noin,
und wénn’s drei Tôg schéé Weda waà,

fraßnd ‘n d’Floign.
Übersetzung: In Going im Weiler Prama gibt es einen neuen Ranggl-Meister, und wenn es drei Tage lang schönes Wetter gäbe, würden ihn die Fliegen fressen.
Erklärung: Der Hôôgmôar ist der Sieger beim Volkssport Ranggln, das dem Ringkampf ähnlich ist.

Z’Jochberg dè Sémmin,
z’Sainihåns is‘ da Kréé,
z’Aurach dè Dôchriin,

Bua dés muaßt vastéh.
Übersetzung: In Jochberg die Semmeln, in St. Johann ist es der Kren, in Aurach die Dachrinne, Junge das musst Du erstmal verstehen.
Erklärung: Die Jochberger haben seit alters her den Ruf, dass sie sehr viel Brot, vor allem Semmeln essen, die St. Johanner werden in den umliegenden Orten als Kréébeidl (Krenbeutel) bezeichnet – als Synonym für die den St. Johannern nachgesagte großspurige und protzige Art, und in Aurach machte einer beim Dorffest folgenden Jux: Gegen Entgelt konnte man die drei schönsten Auracherinnen besichtigen. Hinter einem Vorhang befanden sich aber keine Schönheiten sondern nur drei Dachrinnen.

Kischdårf is a Dreckdårf
und weascht nit ånascht gnénnt,
und wea’s ånascht nénnt,

weascht a dè Drecklåck eichè krénnt.
Übersetzung: Kirchdorf ist ein Dreckdorf und wird nicht anders genannt, und wer es anders nennt, wird in die Dreckpfütze gestoßen.
Erklärung: Diese Strophe über Kirchdorf spielt drauf an, dass der Ort früher mehrmals im Jahr von Überschwemmungen heimgesucht wurde, wobei auch oft Schlamm im Dorf und auf den Feldern liegen blieb.

Die hier angeführten Texte dienen lediglich der Dokumentation historischer Volkskultur und stellen nicht die Meinung des Museums- und Kulturvereins St. Johann in Tirol dar. Es liegt uns fern, Gefühle von Menschen zu verletzen, die sich mit den genannten Orten identifizieren.